Drei Gedichte

                                            (»Paradise Gained«)
ÖFFNEST DAS TOR

Trittst in die
Andere Welt
In den Hof:
Uneinsehbar
Klingelspiel aus
Wind metallnen
Stäben unter
Zwei noch leeren
Schwalbennestern . . .
Hängebirken
Schwarz der Stamm
Weiß die Äste
Überdachend
Schuppen Weiden
Sträucher neben
Dem Kompost . . .
Längs des Nachbar
Hauses Gräde
Knöterichstauden
Unausrottbar . . .
Auf dem Wiesen
Streifen nah am
Kies die ersten
Gänseblümchen
– »Ich erwidere
Deine Liebe« —
Mittendrin das
Nußbaumreis
Das schon fünfmal
Umgesetzte . . .
Rosenstöcke
Am Gestänge
Übers Mauer
Sims und drunter
Krokus — »Lust der
Jugend Über
Schwang Aprils« —
Büschelweise
Märzenbecher . . .
Auf dem Wiesen
Flecken vor dem
Hochwald aus neun
Föhren erst die
Schlappen Blätter
Löwenzahn
— »Goldne Küsse
Auf der Wiesen
Wangen über
All « – . . .
Doch hinterm
Schuppen voll bis
Obenhin mit
Reisig Klaubholz
Scheiten Spänen
Ist das Wiesen
Paradies: die
Luftig offne
Voliere das
Rollfeld für die
Träume  wo du
Ohne Anlauf
Abhebst  zwischen
Apfelbaum und
Nußbaum in das
Fern so nahe
Abendrote
Lichtgehügel
Des Geschrieben
Steins . . .

ZUM ESSEN GIBTS GEMALTE  ZWETSCHKEN

Zerlassener Sonnenschein darauf
Geträufelt und zum Trinken gibts
In Birken frisch gefangenen Wind
Mit Duft von Maiglöckchen gespritzt
Damit dirs nicht zu Kopfe steigt
Und unsere Finger sind das Silber
Die Servietten Schuberts Lied
»Im Frühling«  Schwalbenzwitschern gibts
Als Nachspeis  Endlich wenn du willst
Vom grad gebrannten Hollerschnaps
Nur den Verdacht nicht mehr . . .
                                                               Und satt
Den Gürtel um ein Loch verstellend
So schwebst du überm Sessel in
Des ausgestopften Bussards Schatten
Von einer Aura aus besonntem
Staub umtanzt und schaust vorbei
An mir ins grüne Leere . . .

EIN KÜHLES LICHT

Das  wie mit Tusche  der Fichten
Tote Spitzen auf Himmelslinnen
Stickt . . .

Ein kühler Wind
Der das  was hören wir
Nicht wollen  selbst wenn wir könnten
Spricht . . . :

Der Abschied
Schon seit Tagen
Dir ins Gesicht geschrieben  vorweggenommen
In jeder deiner Gesten  geprobt . . . Und doch
Zu plötzlich  dann  wenn du bedenkst
Was dieser Ort uns ist

Was du noch hastig speicherst
Das Suchwort in die Zunge schon gebrannt . . .

Die Schatten wandern anders
Wir suchen sie nicht mehr

Der Wind weht anders  Doch auch er
Bricht leichthin das  was
Brüchig lang schon ist . . .

Das wird ein Klauben
In den stets zu frühen Dämmerungen werden!
Und irgendwann ein kurzes Flammen
Eine karge Wärme dann . . . :

Erinnern  aufgestockt durch Fantasieren:
Das große Fest die späte Schwalbenbrut
Die Kobolde  die einen Sommer jeden Wunsch
Von unsren Lippen lasen  und  ohne Häme
Auch erfüllten . . . Die Finte eines Wettersturzes
Schließlich  um uns den Aufbruch zu erleichtern . . . :

Fingierter Herbst
— Schon Reif auf dem noch grünen Gras? —
Der spielerisch uns beibringt:
»Nichts bleibt so  wie es ist . . .
Der Sommer ist wie eine steile Stiege
Hinunter ins Gewölbe eines Kellers« . . . Wars also das?

Und mußtest du nicht weinen
Als ich das Tor zweimal versperrte? . . . Und
»Ob die Schwalben doch zur rechten Zeit
Noch flügge werden?«

Duino/Hochstraß/Duino 1994

Erstveröffentlichung in Strophen einer Ehe: Liebesgedichte, Wieser Verlag, Klagenfurt 1994.


Hans Raimund ist ein österreichischer Schriftsteller und Übersetzer. Er studierte Musik, Anglistik und Germanistik an der Universität Wien. Sein erstes Prosabuch, Rituale, wurde 1981 veröffentlicht und sein erstes Gedichtband, Schonzonen, folgte zwei Jahre später. Seine neueste Veröffentlichung ist Neigungen: Zuneigungen/Abneigungen/Verneigungen. Porträt des Autors als Leser. Er hat viele Preise und Auszeichnungen gewonnen und seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Er hat auch mehrere Bücher in Übersetzung veröffentlicht, insbesondere aus dem Italienischen.